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Standort
2005 - Woher komme ich?
          Wie
weit bin ich bis dato gegangen?
            Wie
und wohin geht's weiter ?
Zur Frage 1:
Genealogie
Ideologie
Zur
Frage 2:
Berufsbild
Weltanschauung
Interaktion mit Mitmenschen
Zur
Frage 3:
Persönliche Zukunft
Politische Zukunftsperspektiven (Lernen aus der Geschichte, auch aus der
unmittelbaren Zeitgeschichte)
Funktion und Ideologie der Meinungsbildner
Genealogie:
Am Beginn ein bisschen Ahnenforschung - ich weis, dieses Wort hat einen
braunen Beigeschmack - aber man wird bald erkennen, dass ich Worte verwende,
wenn ich sie für zweckmäßig halte, und dann ist mir ihr Beigeschmack völlig
egal!
Geboren bin ich in der Nähe des Heimatortes von Leopold Figl im Tullnerfeld,
in einer damals ländlichen Gemeinde am Hang des Wienerwaldes - Produkt
eines One-night-stands einer Medizinstudentin und eines Kriegsheimkehrers
- das heißt nicht, dass sich meine Eltern nicht schon länger gekannt hatten,
aber zumindest von Seiten meiner Mutter war dazumal weder Familie noch
Nachwuchs geplant. Den Sitten der damaligen Zeit gemäß musste trotz ungewisser
Zukunft geheiratet werden, was für beide Teile sicher falsch war.
Mein Vater sehnte sich nach 6 Jahren Kriegsdienst, davon 5 an vorderster
Front in Russland - im Kaukasus und Kasachien, gefolgt vom Rückzug auf
Schusters Rappen bis Südböhmen, Gefangenschaft Ende April 1945 und Marsch
auf Prag (mit Völkermordbegleitung), als "Kriegsverbrecher" zur Deportation
nach Sibirien verurteilt (infolge guter Sprachkenntnisse und einer gehäuften
Portion von Glück und persönlichem Mut gelang die Flucht noch vor dem
Abtransport - in russischer Uniform auf Schleichwegen ins Mühlviertel
- bei Linz über die Donau und dann in die Laussa, wo er, versteckt bei
einem Kriegskameraden einmal als U-Boot die nächsten Monate abwartete)
- nach Familie und Geborgenheit.
Meine Mutter wollte eigentlich ihr Studium abschließen und einige Jahre
als Ärztin arbeiten, bevor sie - wenn überhaupt - an so etwas wie Familie
und Nachwuchs denken wollte.
Im Spätherbst 1945 konnte es mein Vater wagen, seine Tauchstation zu verlassen
und nach Hause zurückzukehren. Bei seinen Eltern hatte niemand den "Kriegsverbrecher"
gesucht, auch sonst begann so etwas wie Recht und Ordnung schön langsam
auch in Ostösterreich einzukehren. Also - kurzum - Vater trat wieder seinen
Dienst am Finanzamt Tulln, wo er bereits 1939 beschäftigt war (und auch
damals bereits meine Mutter, die dort ins Gymnasium ging kennen gelernt
hatte) an. Zur damaligen Zeit dauerte die Reise von Tulln in seinen Heimatort
in Preinsbach bei Amstetten praktisch einen ganzen Tag, auch mit dem Motorrad.
Was Wunder, dass man sich einen Familienersatz vor Ort suchte! Und so
bin halt ich irgendwann anfangs 1946 entstanden.
So, das war meine unmittelbare "Entstehungsgeschichte".
Wie es im "Dritten
Reich" Usus war benötigten Staatsdiener und Studenten den großen Ariernachweis
- und auf Grund dieser von den Behörden vorgeschriebenen Nachforschungen
kann ich meine Vorfahren bis ins 17., ja z.T. bis ins 16. Jahrhundert
zurückverfolgen.
Väterlicherseits
geht's wieder einmal auf der väterlichen Linie sehr weit zurück: Musiker
und Spielleute aus Süd- und Welschtirol, wobei es meinen Urgroßvatern
als Kapellmeister nach Schloss Seisenegg bei Amstetten verschlug. Mein
Großvater war aber eines seiner jüngeren Kinder und leider sehr unmusikalisch
- daher begann sein Lebensweg ziemlich mittellos und er schloss sich schon
in jungen Jahren der SDAP an (aber davon später).
Meine Großmutter väterlicherseits stammte aus gutem Haus: Mein Urgroßvater
von dieser Seite war Feuerwehrhauptmann, Bürgermeister und Grundbesitzer
im Flecken Wolfsbach bei Neustadtl - ein Agrar- und Lanwirtschaftstechnikpionier
seiner Zeit mit relativ weitem Horizont. Großmutter konnte daher ihren
Beruf und Lebensweg selbst wählen! Als jüngere Tochter kam sie für die
Erbfolge nicht in Frage, daher wurde sie Diplomkrankenschwester und später
Pflegeleiterin im privaten psychiatrischen Sanatorium Bonavicini in Tulln.
Auch ihr war Ideologie und Partei des Dr. Victor Adler nicht ganz fremd,
obwohl sie sich nie politisch betätigt hatte. Nachdem sie einen "Mordversuch"
durch eine rabiate Patientin nur knapp überlebt hatte wandte sie Tulln
den Rücken (allerdings gab es dort eine weitschichtige Verwandtschaft,
was auch später meinen Vater an diesen Ort brachte) und bekam einen Posten
in der Psychiatrie in Mauer. Dort lernte sie einen jungen Anstaltsarbeiter
kennen, der vielleicht nach ihrem Geschmack etwas vorlaut war und zuviel
politisierte (daher vielleicht auch intellektuell ebenbürtig und interessant),
der in der Folge die Ehre hatte, mein Großvater zu werden. Die Ahnenreihe
meiner Großmutter geht auf kroatische Soldaten zurück, die zur Zeit Maria
Theresias (nach dem Siebenjährigen Krieg) im Gebiet von Neustadtl a. d.
Donau für ihre langjährigen treuen Kriegsdienste Land (damals Urwald)
erhielten (Panduren).
So, das wäre im wesentlichen meine Herkunft väterlicherseits.
Am längsten lässt sich wohl die Ahnenreihe einer meiner Urgroßmütter von
der mütterlichen Linie zurückverfolgen: Die Hutterer waren eine seit Menschengedenken
eingesessene Bauern- und Gastwirtefamilie in meinem Geburtsort. Ihr letzter
Sproß - Aloisia - hatte ein trauriges Schicksal. Die Eltern waren früh
verstorben, ein tüchtiger Mann von auswärts, der schon ihre Eltern in
den letzten unterstützt und betreut hatte wurde zu ihrem Vormund und späteren
Liebhaber. Er hatte mit ihr 3 Söhne, war aber bereits verheiratet. Aloisia
starb 1919 an der Spanischen Grippe - ihr Vermögen ging, wie auch immer
an den Vater ihrer Söhne und dessen Familie - die Söhne, von denen zwei
relativ jung verstarben, der dritte war mein Großvater mütterlicherseits
gingen leer aus. Diese alte Linie, die bis in 16. Jahrhundert zurück zu
verfolgen ist (bis in die Zeit der Reformation und der Bauernkriege) lebt
fast nur mehr in mir und meinen Kindern. Bis auf einen Cousin meiner Mutter,
der Gastwirt in Wien war und zwei Söhne hatte, von denen mir aber nichts
mehr bekannt ist.
Meinen Urgroßvater von dieser Seite habe ich auch nicht mehr gekannt -
seine legitime Linie steht knapp vor dem Erlöschen (sein letzter Enkel
ist kinderlos).
Die Vorfahren meiner Großmutter mütterlicherseits stammen von südmährischen
Bauern ab, die um Nikolsburg herum ihre Felder bestellten.
Während der Gründerzeit verschlug es einen jüngeren Sohn mit Familie nach
Wien - er war gelernter Schlosser und zweisprachig. Er fand rasch qualifizierte
Arbeit bei der Gemeinde Wien. Und so kam knapp nach der Jahrhundertwende
meine Großmutter in Wien-Simmering als seine jüngste Tochter zur Welt,
lernte brav, aber für eine weitere Ausbildung als die Bürgerschule reichten
die Mittel einer Arbeiterfamilie nicht. Daher wurde nach Schulabschluß
der Vorschlag einer Tante, die kinderlos und gut situiert war angenommen,
sie quasi zu adoptieren. Allerdings bedeuteten die nächsten 5 Jahre nicht
den Status einer höheren Tochter, sondern den eines unbezahlten Dienstboten.
Großmutter bezeichnete diese Periode ihres Lebens immer als ihre "Lehrzeit",
was zu einem gewissen Grad auch stimmte. Ihre Tante Julie war ehemalige
Herrschaftsköchin und verstand sich so aufs Beste auf präzise Haushalts-
und Küchenführung - und bei Gott, Großmutter war in diesen Sachfragen
auch immer perfekt - bis ins hohe Alter! Nun - wie ging es mit der Familie
weiter?
Großvater begann im Gastgewerbe - er lernte Kellner - und später Berufsfeuerwehrmann
beim Magistrat Wien. Zwischendurch lernte er meine Großmutter kennen.
Zur Hochzeit erhielt sie quasi als Abfindung von der Julie-Tant' ein kleines
Haus auf Leibrente - und damit konnten zwei ursprünglich besitz- und heimatlose
den Sprung ins gemeinsame Leben wenigstens mit einem Dach über dem Kopf
wagen, was damals absolut nicht selbstverständlich war. Auch mein Großvater
war Mitglied der SDAP, während Großmutter eher in klerikalen Kreisen verkehrte.
Aber die Liebe war stark genug, dass ein Agnostiker mit einer gläubigen
Katholikin ein erfülltes gemeinsames Leben führen konnte. Vor allem in
Bezug auf Familienplanung konnte Großvater doch die sozialistische Idee
der 0 bis maximal 1 Kinder Partnerschaft durchsetzen, war doch damals
noch mehr als heute die Mehrkinderehe der programmierte Absturz in die
bittere Armut! So blieb es bei der einen Tochter, meiner Mutter, die halt
in der Folge auch zu sehr umsorgt wurde und so Flausen wie Beruf und Selbstverwirklichung
in ihrem Kopf entwickelte, Dinge, die heutzutage für jede Frau normal
sein sollten (aber leider oft noch nicht sind).
Wie gesagt, meine Eltern und Großeltern waren Sozialpioniere: Vernunft
bei der Kinderzahl, gewaltlose Erziehung, Argumente statt Doktrine - in
dieses Milieu wurde ich hineingeboren.
Ideologie:
Obiges war in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nur im Dunstkreis
des Sozialismus möglich. Die christlichen Religionen predigten zwar seit
Jahrhunderten den Gedanken der Nächstenliebe, hatten aber einen strafenden
und rächenden Gott mit Feuer und Schwert immer im Hintergrund. Nur allzu
oft wurde der Bibelvers zitiert: "Wer sein Kind liebt, der züchtigt es
und spart der Rute nicht!" Erst der Sozialismus, der in Österreich in
seiner typischen Form von Dr. Victor Adler - einen Philanthropen reinsten
Wassers - aus den Lehren von Karl Marx und Friedrich Engels herausentwickelt
wurde, der bot eine Alternative. Wie soll ich erwarten, dass ich gut und
gerecht behandelt werde, wenn ich Frau und Kinder nicht gerecht und gut
behandle, wenn ich am Zahltag mein Geld ins Wirtshaus und nicht nach Hause
trage, wenn ich dann besoffen und frustriert meine Angehörigen traktiere,
anstatt ihnen zu zeigen, wie schön die Welt auch für einen Menschen aus
bescheidenen Verhältnissen sein kann - solche Worte dürften sinngemäß
die Arbeiterschaft Wiens, ein Industrieproletariat aufgerüttelt haben
- sie nahmen ihr Geschick in die eigenen Hände und haben der ganzen Welt
in den Jahren zwischen 1919 und 1934 gezeigt, was man alles - ohne falsche
Heuchelei und nach oben verdrehte Augen (so knapp vor dem Heiligenschein)
- für seine Mitmenschen schaffen kann.
Das war die Ideologie meiner Großväter - und auf dieser Basis konnten
sie einen bescheidenen Wohlstand und ein Leben in Zufriedenheit aufbauen.
Sie waren auch bereit, dafür zu kämpfen: der eine an der Seite von Bulgari
in Linz, der andere in Wien bei einer Kampftruppe der Feuerwehr. Die Kanonen
und Panzerwagen des Herrn Dollfuss waren stärker, die eigene Solidarität
zu gering, vor allem die Planung des Widerstands dilettantisch (wie soll
man auch von Menschenfreunden militärisches Geschick erwarten). Die SDAP
erstickte im eigenen Blut bzw. landete in Wöllersdorf. Da war die Sorge
um das Überleben und vor allem das Überleben der Familie an erster Stelle.
Beide Großväter konnten es sich nicht leisten, an den Galgen oder ins
KZ zu gehen - wer hätte denn auch etwas davon gehabt? Sie gingen ganz
einfach auf politische Tauchstation. Als dann 1938 der Anschluss ans glorreiche
"Dritte Reich" kam, da wurde mein Großvater väterlicherseits ganz ruhig
(er hat nur ein einziges Mal aufbegehrt, nämlich als sich mein Vater zur
SS melden wollte - da hat er ihm die ersten Schläge in seinem Leben angedroht.
Auch das war eine Form des Widerstands - Mauthausen hätte das Ziel sein
können). Der Vater meiner Mutter war zutiefst Pazifist und wollte unter
keinen Umständen den Dienst mit der Waffe für den größten Führer aller
Zeiten leisten. Als Berufsfeuerwehrmann hatte er reelle Chancen. Allerdings
brauchte man, um als 100% zu gelten für diese Form der Freistellung vom
Kriegsdienst ein Parteibuch, und zwar das der NSDAP. Rückblickend gesehen
war dieser Parteieintritt äußerst vernünftig. Als Feuerwehrmann konnte
Großvater viele Menschen und Kulturgüter retten. Er war bei jenen 20 Feuerwehrmänner
dabei, die entgegen den Befehlen der Vorgesetzten die Evakuierung der
Wiener Berufsfeuerwehr nach Oberösterreich nicht mitmachten, sondern in
der leidgeprüften Stadt mit den untauglichsten Mitteln im letzten Monat
des Bombenkrieges zurückblieben und schier übermenschliches beim Schutz
der Zivilbevölkerung leistete. Als Dank dafür wurde er 1946 "entnazifiziert"
und für 3 Jahre außer Dienst gestellt. Erst nach der Übernahme des Kommandos
durch Josef Holaubek wurde er rehabilitiert und befördert wieder eingestellt
(Holaubek war ein alter Freund von der Chargenschule und kannte sehr wohl
Gesinnung und Taten meines Großvaters - aber die Hilfe kam reichlich spät:
wir haben alle fast 3 Jahre gehungert!). Vor wenigen Tagen wurde ein österreichischer
Politiker - der Kärntner Bundesrat Siegfried Kampl - in aller Öffentlichkeit
demontiert, weil er es gewagt hat, von Naziverfolgungen in der Nachkriegszeit
zu sprechen (Kampl hatte ein noch einigermaßen böseres Schicksal als wir).
Sicher - Großvater war kein Widerstandskämpfer und Parteigenosse, aber
er hat nie etwas unmenschliches getan, sondern immer - ohne Rücksicht
auf Rasse und Hautfarbe - und das auch während des Bombenkrieges in Wien
geholfen, wo er nur konnte. Ähnlich dem Dr. Feigl in Steyr, der als Leiter
des Krankenhauses mindestens 50% des harten Kerns der Kommunisten vor
Kriegseinsatz und Strafkompanie bewahrt hat und dann nachher direkt von
den Genossen mit Hilfe der russischen Besatzungsmacht einem österreichischen
Volksgericht, das ihm als Nazi den Prozess gemacht und die Todesstrafe
verhängt hatte entrissen werden musste - solche Beispiele gibt es dutzendweise.
Aber heute muss man darüber schweigen, weil wir in einer Demokratie mit
Rede- und Pressefreiheit (allerdings durch Gesetze im Verfassungsrang,
die wesentliche Bestimmungen der Verfassung aufheben beschränkt) leben.
Wann lernen wir endlich aus der Geschichte? Lügen und Verdrängen hat nie
Probleme bewältigt - man soll doch das Recht haben, recherchierte Wahrheiten
auch hierzulande aussprechen zu dürfen, ohne Feme für sich und die Seinen
befürchten zu müssen!
Als
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