|
Der
Kurbatsch - Erinnerungen an Hadschi Halef Omar und Kara Ben Nemsi
Hurgada, 29.1.2005
Es ist 11.00 Uhr Ortszeit - eine leichte Brise streicht vom Roten Meer
über Strand und Hotelanlage der "Golden Five City", die Lufttemperatur
ist so um die 28° und das Wasser um die 22° C. Gleichzeitig tobt in Mitteleuropa
einer der strengsten Winter der letzten Jahre mit Eis und Schnee von der
Nordsee bis Spanien, Italien, ja sogar entlang der algerischen Mittelmeerküste
bis in die Berge, die den Küstensaum von der Sahara trennen hinein hat
es geschneit und die "weiße Pracht" blieb liegen. Für nächste Woche ist
Umstellung der Großwetterlage mit deutlicher Erwärmung angesagt - mir
soll's recht sein! Wir haben 14 Tage Hurgada last minute roulette 4 Sterne
gebucht und flogen vergangenen Samstag, gerade rechtzeitig vor dem "großen
Schneefall" bei sonnigem Wetter in Graz weg und fliegen in einer Woche
wieder retour (hoffentlich ist dann der schlimme Teil des Winters vorbei!).
Also - das "timing" war richtig.
Morgen wird im Irak gewählt - ein Versuch einer "Zwangsdemokratisierung",
angeordnet vom wohlmeinendem großen Bruder, der zu Hause aus Angst vor
islamitischem Terror die Hosen gestrichen voll und bereits wesentliche
Bürgerrechte außer Kraft gesetzt hat! Verfolgen wir doch die historische
Entwicklung dieser Zwangsdemokratisierungen im 20. und 21. Jhdts.:
Der erste "Schub" erfolgte im Anschluss an den 1. Weltkrieg: Deutschland,
Österreich und die Nachfolgestaaten der Donaumonarchie warfen ihre Monarchen
hinaus und gaben sich "demokratische" Verfassungen. In Russland herrschte
Bürgerkrieg und Terror - und in diesem "Wochenbett" wurde die erste "Volksdemokratie"
geboren. Auch in Deutschland und Ungarn entstanden "Räterepubliken", die
aber von den "legitimen" Regierungen mit Hilfe rechter Kräfte ausgeschaltet
wurden. Die Folge davon war, dass auch nachfolgende sozialistische Regierungen
gegenüber der "rechtern Reichshälfte" eine "Bringschuld" hatten. Gerade
in Deutschland mussten sich die Regierungen in den 20er Jahren gefallen
lassen, dass sie "gestützt auf die Gewehre und Bajonette diverser monarchistischer
und rechter Frontkämpfer" an der Macht blieben und bleiben konnten! Dies
war der wesentliche Dünger im Nährboden Hitlers und seiner Nationalsozialisten!
Österreich hatte damals nie eine rein sozialistische Regierung - der Rechtsruck
fiel einem "schwarzen" Bundeskanzler naturgemäß daher nicht schwer. Das
Ende vom Lied - Nazidiktatur und 2. Weltkrieg - ist ja sattsam bekannt!
Der 2. Zwangsdemokratisierungsschub folgte im Anschluss an den 2. Weltkrieg:
Die Westmächte installierten in ihrem Einflussbereich parlamentarische
Demokratien oder beließen ihnen wohlgefällige Diktatoren im Amt (Lateinamerika,
Philippinen etc.), die Sowjetunion umgab sich mit einem Bollwerk von Satellitenstaaten,
die allesamt der Verfassung nach "Volksdemokratien" waren.
Der Koreakrieg führte zu einem Patt zwischen Osteuropa und China einerseits
und der USA nebst ihren Verbündeten andererseits im pazifischen Raum.
Trotz technischer Überlegenheit verlor die USA den Vietnamkrieg, was einen
Völkermord in Indochina zu Folge hatte.
Auch die "roten Zaren" in Moskau hatten sich verschätzt - der Versuch
einer Besetzung von Afghanistan "ging in die Hose" und war der Anfang
vom Ende des Sowjetimperiums!
In der Folge gelang es der Achse Ronald Reagan - Papst Karol Wojtyla (Johannes
Paul II.) die Sowjets finanziell (durch Wettrüsten im Weltraum) auszubluten
und klerikal zu unterminieren - Solidarnosz in Polen, Aufweichen autoritärer
Strukturen in Ungarn und der CSSR.
Infolge des Versuches einer Flucht nach vorne von Michael Gorbatschow
(dessen Hausmacht, wie sich nachher herausstellte aber zu schwach war)
brach 1989 das Sowjetimperium in wenigen Wochen zusammen und hinterließ
ein Machtvakuum.
Dieses Ereignis war der Entstehung eines schwarzen Loches im Universum
vergleichbar:
Die Zerstörung war bedeutend größer als das Positive - zumindest kurz-
und mittelfristig gesehen.
Während hier in Hurgada die Gewinner der "kapitalistischen Revolution"
mit ihren Tussis promenieren erfrieren bei ihnen zu Hause hilflose Alte
und Kranke, denen man mit Jahresbeginn die sozialen Errungenschaften von
Generationen per Federstrich raubte!
Wie halt immer nach einem "Umbruch" die Reichen wurden reicher, die Armen
ärmer und der Mittelstand ging in der namelosen Masse der mehr oder minder
Bedürftigen unter!
Afghanistan hat vor ein paar Wochen gewählt - Resultat: Die demokratisch
gewählten Parlamentarier, der Präsident und seine Regierung sitzen, gut
bewacht von Truppen der USA und derer Verbündeten in Kabul und kontrollieren
gerade soviel des Territoriums ihrer Wähler, so weit der Arm des "großen
Bruders" reicht. Der Mohnanbau und die Morphinproduktion geht außerhalb
dieser Gebiete weiter und die dort herrschenden "warlords" kümmern sich
einen Furz um ihre "legitime, demokratisch gewählte" Regierung! Ihnen
ist nur ihre Macht und ihr Geldbeutel wichtig, der von der amerikanischen
Schattenwirtschaft laufend gefüllt wird. Und wieder sieht man: Ideologie
ist a la longe der "Demokratie" überlegen - sei es jetzt der radikale
Islamismus eines Osama bin Laden oder die Ideologie von Macht und Geld.
Wo wird der Irak enden, wenn der amerikanische Kongress 2006 nicht weiter
Dollarmilliarden für die Finanzierung der Schutztruppen genehmigt? Folgt
ein lokaler Bürgerkrieg, ein weiteres Vietnam oder noch Schlimmeres? Dem
"Schimpansenpräsidenten" ist noch allerhand zuzutrauen - vielleicht ein
weiterer Kreuzzug gegen den Islam, weil ihn christliche Fundamentalisten
(denen ja Bush seine Wiederwahl zu verdanken hat) einfordern?
Wer hat das Recht auf seiner Seite? Die seit Jahrzehnten durch Besatzungstruppen
oder den USA gefälligen Potentaten unterdrückten Araber von Ramallah über
Gaza bis Dubai oder die satten, fetten Amis aus Florida, Texas oder dem
mittleren Westen, für die Hunger und Entbehrung literarische Fremdwörter
sind, die aber vielleicht doch einmal die Zeichen der Zeit sehen und in
ihren Familienbibeln die Zeilen: "Wer Wind säht, der wird Sturm ernten!"
finden werden. Wie viel Demütigung und Unterdrückung ist notwendig, dass
ein intelligenter Mensch, der ein Verkehrsflugzeug fliegen kann soviel
Hass entwickelt, dass er eine mit Passagieren volle Maschine ins "World
Trade Center" pilotierte und damit das Karma des Todes von Tausender auf
sich nahm, die zwar bloße Mitwisser, aber zu über 99% keine Täter waren
- ähnlich wie das von den Alliierten zynisch motivierte Bombardement von
Dresden und von Hiroshima und (militärisch völlig unnötig) Nagasaki.
Der 11. September 2001 war aber bloß ein "Lüfterl", gleichsam eine Brise
vor dem Sturm. Der Äolus der Unterdrückten und Verarschten im Nahen Osten
holt jetzt Atem - wehe dem, den dieser Sturm, der aus dieser Richtung
droht erfasst!
Nun ja - dies war zur Einleitung eine Reflexion über die Probleme der
Jetztzeit - eigentlich wollte ich ins "friedliche" 19. Jhdt. Abtauchen,
als ihn Ägypten ein Vizekönig von des Sultans und der Briten Gnade residierte
und Kara Ben Nemsi mit Hadschi Halef Omar von der Oase Siwa kommend das
Niltal erreichten um ihre Abenteuer "Durch Wüste und Harem" - wie es ursprünglich
in der Münchmeyer-Fassung hieß - zu bestehen.
Historische Reflektion über die Zeit 1860 bis 1875 in Ägypten.
Nun - einiges hat sich bis dato nicht geändert:
Der Ägypter bedarf des Kurbatsches, wenn er etwas flott und korrektest
machen soll. Sein Kurzzeitgedächtnis bedarf praktisch immer einer mehrmaligen
Auffrischung.
Es ist völlig verkehrt, wenn Frauen versuchen, Informationen zu erhalten
oder Weisungen zu geben - man hört sie zwar, aber hört ihnen nicht zu.
Beispiel für Punkt 1: Im Rahmen eines mehrmaligen Stromausfalls in der
Nacht von Sonntag auf Montag wurde mein Zimmerfernseher beschädigt. Ich
hab bei der Rezeption angerufen, ich hab dem Zimmerkellner den Schaden
gezeigt und mich dann auch persönlich zur Rezeption bemüht, wo vor meinen
Augen der Schaden aufgenommen und der technische Dienst mit dessen Behebung
beauftragt wurde. Ergebnis: niemand hat bis dato das Gerät repariert bzw.
ausgetauscht. Natürlich werde ich vom Reiseveranstalter Schadenersatz
verlangen und auch bekommen, natürlich wird dann irgendjemand im Hotel
dafür gerade stehen und büßen müssen - aber ein Schnalzer mit dem Kurbatsch
wäre zielführender!
Beispiel für Punkt 2: Unsere Betreuerin vom Reiseveranstalter wollte in
Erfahrung bringen, welche Leistungen der "Golden 5 City" für all-inclusive-Kunden
wirklich ohne zusätzliche Zahlungen erbracht würden. Nach einem halbstündigen
Gespräch mit dem Hotelmanager (meine Frau hörte mit) wusste sie weniger
als zuvor. Ich hatte am Vortag auf eigene Faust diesbezügliche Informationen
gesammelt und ihr in einem Gespräch ein paar Tage später - sie hatte noch
immer keine verbindliche Antwort der Hotelleitung - angeboten, diese Erfahrungen
als unverbindliche Information für weitere Gäste dieses Hotels aufzuschreiben
und dem Reiseveranstalter gratis zur Verfügung zu stellen - frustriert
ist sie aber auf dieses Angebot nicht weiter eingegangen. Gut - wie man
sieht, der Dame mangelt es an Flexibilität und dies ist im Orient sicher
ein schwerwiegender Fehler. Aber andrerseits hätte ein Schnalzer mit dem
Kurbatsch den Hotelmanager sehr rasch dazu bewegt, vernünftige Antworten
zu geben oder binnen 24 Stunden bei der "Konzernleitung" (die "Golden
5 City" besteht aus 3 Hotels und 2 Bungalowanlagen mit eigenem Badestrand
und einigen Bars und Restaurants in den einzelnen Hotels und am Strand)
anzurufen und damit eine Klärung herbeizuführen.
Ich werde natürlich in meinen Bericht an den Reiseveranstalter die (falschen)
Auskünfte seiner Repräsentantin als gegebene Information aufzeigen und
die dadurch entstandenen Verletzungen des all-inclusive-Vertrages (z.B.
hätte man mittags nicht am Strand, sondern nur im Restaurant des gebuchten
Hotels essen können, was jeweils einen Marsch von 1 km in jede Richtung,
sowie den Verlust von Liege und Sonnenschirm bedeutet hätte) darstellen.
Man wird sehen, wer dann für die Versäumnisse gerade stehen muss - der
wohlverdiente Rüffel wird aber der Repräsentantin nicht erspart bleiben.
Aber solche Kleinigkeiten "versüßen" den Urlaub und werden mit orientalischem
Fatalismus hingenommen - Vertrag hin, Vertrag her. Wo bleibt der Kurbatsch?
Der aus der Sahara, dem westlichen Magrebh stammende Hadschi Halef hatte
natürlich ein ganz anderes Temperament als die bequemen, eher dicklichen
und gemütlichen Ägypter. Er war ja als nomadisierender Viehzüchter aufgewachsen:
Er musste ständig auf der Hut sein, dass ihm nicht eine Ziege, ein Schaf
oder gar ein Kamel oder Pferd abhanden kam - sei es, dass es sich verirrte
oder von einem Raubtier gerissen wurde oder gar von einem "lieben" Nachbarn
ein zweckfremdes Schicksal erlitt. Dies setzte von früher Jugend an körperliche
und geistige Beweglichkeit voraus. Zusätzlich hat ihm Karl May einen entsprechenden
Körperbau (klein und schlank, aber ausdauernd und zäh) und Charakter (ungeduldig-rechthaberisch-cholerisch)
verliehen. Dadurch entstand jener Archetyp, dessen Haltung in diametralem
Gegensatz zur ägyptischen Trägheit stand. Wie oft musste ihn da sein Herr
und Meister, der Abendländer Kara Ben Nemsi "einbremsen" - ja, diese Figur
lehrt uns jene intellektuelle Distanziertheit und Toleranz, die wir dem
angeblich faulen Orientalen entgegenbringen sollen - aber Vorsicht: Versteht
uns dann unser Gegenüber dann auch richtig, ist er dann bereit, uns entsprechend
zu respektieren und uns diese Toleranz nicht als Schwäche auszulegen?
Und das ist der springende Punkt: Toleranz wirkt nur dann produktiv und
zielführend, wenn sich beide Gegenüber gegenseitig respektieren!
Natürlich löst ein Schnalzer mit dem Kurbatsch beim Kontrahenten sofort
Respekt aus. Hadschi Halef ist klein und äußerlich eher unscheinbar -
er braucht diese "Krücke" in anschaulicher Form. Nicht umsonst trägt er
die gewichtige Peitsche aus Nilpferdhaut an seinem Gürtel und schnalzt
damit durch die Gegend.
Welches Instrument braucht ein Europäer, insbesondere aber eine Europäerin
um sich beim Ägypter den notwendigen Respekt zu verschaffen? Weil ohne
gegenseitigen Respekt kann der Dialog bei aller Toleranz nie funktionieren
- es kommt zu einseitigen Predigten und Monologen, bei denen das Gegenüber
nicht zuhört und daher auch nichts versteht. Wie kann das State Departement
oder ein Herr Sharon erwarten, dass sich ein Araber Argumente und Vorschläge
anhört?
Der Araber muss zwar wohl oder übel die Überlegenheit seines Gegenübers
- militärisch und wirtschaftlich - respektieren, aber wird er in seiner
Eigenart vom Kontrahenten respektiert? Mein Eindruck ist, das diese Frage
zu verneinen ist. Solange schwerbewaffnete israelische Soldaten mit Gewehren
auf Kinder schießen, die aus Protest mit Steinen werfen und Autoreifen,
Stoffpuppen oder Fahnen anzünden, solange man mit "Wunderwaffen" Wohnhäuser
dem Erdboden gleich macht und trotzdem keine Effizienz gegen Terrorangriffe
erreicht kann man keine Basis des gegenseitigen Respekts schaffen.
Nach wie vor fühlt sich der Araber zu Recht unterdrückt, erniedrigt, verspottet
und verarscht. Insgeheim kann er aber dann doch nicht eine gewisse Schadenfreude
und Befriedigung verbergen, wenn es dann doch irgendjemand - oft nur unter
großer Gefahr und Aufopferung - gelingt, dem schier übermächtigen und
vor Überlegenheit strotzenden Gegner ein Schnippchen zu schlagen, ja ihm
sogar die eine oder andere, hin und wieder auch schmerzhafte Wunde zuzufügen.
Wie oben erwähnt: Ganz ohne irgendeinen "Kurbatsch" wird es wohl nicht
gehen, aber Panzer und Gewehre gegen Kinder sind sicher übertrieben und
beeinträchtigen erheblich den durchaus positiven "Kurbatscheffekt"!
Ist es denn verkehrt, vom hohen Ross freiwillig herunterzusteigen und
zu versuchen, den Kontrahenten als gleichwertig zu betrachten. Ist es
denn zielführend, ihm immer wieder die Rute des militärischen Vergeltungsschlages
und der Repression ins Fenster zu stellen? Wäre es nicht besser, Großmut
und Größe zu zeigen, indem man ihm genügend Zeit gibt, seine diversen
"Flügel" unter Kontrolle zu bringen als auf jede angebliche "Provokation"
mit voller Härte zurückzuschlagen? Sicher, es besteht die Gefahr, dass
ein solches Umdenken als Schwäche und Kapitulation ausgelegt werden kann.
Aber die Härte und die Macht, die bis dato hinter diesen Strafexpeditionen
und "Polizeiaktionen" stand, die ist ja allgemein bekannt. Der Kontrahent
weiß ganz genau, dass sich diese Macht nicht in Ohnmacht verkehrt hat
und jederzeit wieder in vollem Umfang zuschlagen kann.
Einseitige Moratorien haben aber - und das lehrt die Geschichte - nie
ihre Wirkung verfehlt, wenn sie ernst und ehrlich gemeint waren und lange
genug eingehalten wurden!
Hurgada, 2.2.2005
Wunder über Wunder - seit gestern funktioniert der Fernseher wieder richtig.
Mit affenartiger orientalischer Geschwindigkeit gelang es, binnen einer
Woche eine relativ leicht zu behebende, aber lästige Störung zu reparieren.
Sigrid kam in der Nacht von einem Kulturausflug nach Kairo (mit Gizeh,
Sakara, Museum etc.) zurück - ich hatte mich inzwischen kräftigst verkühlt
und war im Bett geblieben. Kairo muss in den letzten Jahrzehnten explosionsartig
gewachsen sein - das "Menahouse"-Hotel gegenüber der Pyramiden, welches
zu Karl Mays Zeiten einsam in der Wüste lag ist inzwischen von der Stadt
"verschlungen", aber ein Ausspruch meines damaligen Chefs Gery Brandstätter
hat noch immer Gültigkeit: "In Kairo laufen Millionen von Menschen im
Pyjama herum und machen dabei einen mordsmäßigen Lärm!" Man bedenke: Inzwischen
leben im Großraum Kairo so um die 15 bis 17 Millionen Menschen - genau
weiß man es auch bei den zuständigen Behörden nicht - man hat einfach
den Überblick verloren! Leider lässt man hierzulande den Touristen noch
ihre "Narrenfreiheit" - und so nagt nicht nur der Zahn der Zeit, sondern
auch der des Tourismus an den unschätzbaren und unwiederbringlichen Kulturgütern
Ägyptens.
Das Wetter in Hurgada blieb im Großen und Ganzen stabil - die letzten
Tage allerdings vermehrt windig - heute ist der erste wieder fast windstille
Tag. Sigrid geht zum Strand, ich bleibe bis mittags noch am Zimmer und
"pflege" meine Verkühlung. Es ist natürlich beschissen, wenn man bei einem
Badeurlaub am Roten Meer verkühlt ist, aber das ist leider höhere Gewalt.
Zu Hause ist es kalt und schön - schreiben könnte ich dort auch, aber
die unmittelbaren Eindrücke von hier würden mir fehlen!
Im Irak waren sonntags Wahlen - Beteiligung über 60% trotz weitgehenden
Boykotts der Sunniten und vielen Terroranschlägen. Israel bleibt bei seiner
"erprobten" Politik: Leere Versprechungen an die Palästinenser, die durch
mehr oder minder blutige Provokationen sowieso ad absurdum geführt werden.
Warum versucht es Israel nicht mit einem mehrwöchigen Moratorium, warum
entgleitet der Regierung immer wieder die Kontrolle über Radikale (von
den Palästinensern verlangt man dies, obwohl man weiß, dass deren "Regierung"
kaum Kontrolle über die radikalen Flügel hat und dazu längerfristige vertrauensbildende
Maßnahmen notwendig wären) und dem "Mossad" - ist das gottgewollt? Im
Irak ging ein Großteil der "schweigenden Mehrheit" zu den Urnen - warum
gehen die Amis den jetzt nicht nach Hause? Ich bin überzeugt, dass sich
die Iraker ungestört ihre "Stammesfehden" leichter unter sich ausmachen
könnten. Allenfalls wäre noch so eine schnelle Eingreiftruppe mit 20.000
Mann und ein paar Panzern und Hubschrauber, sowie eine lückenlose Luftraumüberwachung
vertretbar, um einen Baath - Putsch in nächster Zeit zu verhindern. Eine
"Beschützungsaktion" wie in Afghanistan ist nicht nur unproduktiv, sondern
auch sehr teuer. Wenn der Kongress die verlangten 80 Mrd. $ als "Nachtragskriegsbudget"
bewilligt, dann müssen das nicht bloß die U.S. Staatsbürger, sondern alle
Menschen bezahlen, die enge Wirtschaftsbeziehungen mit den USA haben.
Warum? Man braucht sich nur die Entwicklung der Energiekosten seit Beginn
der amerikanischen Intervention im Irak anschaun - nicht nur die Erdölmultis,
sondern auch die Familie Bush haben sich dumm und dämlich verdient. Erdöl
ist der Stoff, der die amerikanische Kriegsmaschinerie im Irak schmiert!
Inzwischen musste ich feststellen, dass mir irgendwann zwischen Frühstück
und Mittagessen mein "all-inclusive" Armband abhanden gekommen ist. Der
ehrliche Finder bekommt ein Trinkgeld, den unehrlichen wird eine "Schutz"
- Hornisse stechen, und zwar eine ganz große, wie sie in Israel und Ägypten
vorkommen. Allerdings wurde ich darauf aufmerksam gemacht, dass ein Duplikat
15,- $ kostet - also zwischen 11 und 12 €. Falls man wirklich so unverschämt
ist und mich abkassiert, dann gibt es eben von den 4 Personen unserer
Gruppe im Hotel kein Trinkgeld fürs Hotelpersonal! Soll ich mir den Spaß
eines "cross-changing" mit meinen Angehörigen machen - es wären ja nur
mehr 3 Tage! Ehrlich gesagt, das ist mir zu blöd - also: Tausche Duplikatgebühr
gegen Trinkgeld (wobei ich allerdings den Betroffenen mitteile, warum
sie kein Trinkgeld bekommen!). Habe inzwischen meine Nase mit Propolis
gefüllt - war sinnvoll! Kann jetzt wieder aus den Augen herausschauen
und die Nase läuft nicht mehr so intensiv. Orientalischer Ärger und Hausmittel
- ich nehm alles wieder locker, nachdem ich es mir von der Seele geschrieben
habe!
Hurgada, 3.2.2005
Wunder über Wunder - viel Lärm um nichts - unnötiger Ärger! Sigrid bekam
für mich eine neue "Blindenschleife" (= "all-inclusive" - Armband) ohne
Duplikatgebühr. So ist der Orient - ein einziger Basar! Hätte ich gleich
ohne Murren, so typisch wie ein obrigkeitshöriger Europäer bezahlt, wäre
ich abkassiert worden und die Dollars wären in irgendeinem dunklen Kanal
verschwunden. Protestiert man und wehrt man sich, dann wird dies anerkannt!
Der Gegenüber schätzt einem als gleichwertig ein und man hat eine gemeinsame
Gesprächsbasis! Zivilcourage mit einem Schuss Rechthaberei beeindruckt
den Semiten, so stellt er sich sein imaginäres "Heldenbild" vor. Ist er
aber materiell weit überlegen, dann schlägt er bedenkenlos zurück: "Erstens:
Da könnte ja ein jeder kommen und zweitens haben wir es nie so gemacht!"
Das führt dann zu den erschossenen Steine werfenden Kindern! Die Mentalität
von Araber und Juden ist doch derartig ähnlich, dass sie sich scheinbar
schon deswegen nicht vertragen können - was mich an die Situation zwischen
Mühlviertler und Tschechen erinnert: Beide sind bauernschlau, geben sich
gern etwas dämlich und ungeschickt, mit einem kleinen Schuss Bosheit dazu
und behaupten vom jeweiligen Gegenüber er sei falsch, diebisch und unzuverlässig
- wie sich doch die Bilder gleichen!
Résumé: Zivilcourage verbunden mit bestimmten Auftreten ist ein bedingter
Kurbatscheffekt! Ist der Gegenüber übermächtig, also zu stark, dann ist
der Kurbatsch fehl am Platz. Man darf ihn nicht einmal zeigen, geschweige
mit ihm drohen! Wie immer im Leben ist es schwierig, in dieser Beziehung
das genaue Maß zu nehmen - auch bei der Dosierung des Kurbatsches!
Heute ging's zu unserem letzten Ausflug - hinaus zu den Korallenriffen
mit einem Glasbodenkatamaran. Der Fischreichtum ist noch erheblich, die
Artenvielfalt hat aber seit den Zeiten von Hans Hass deutlich abgenommen!
Interessant war die Stimmung bei der Rückfahrt - eine Warmfront zog übers
Rote Meer, der anfangs klare Horizont trübte sich ein und die Sicht wurde
deutlich schlechter. Man konnte sich bildlich vorstellen, wie plötzlich
die schwarzen Segeln der Piraten - Dhau des Abu Seif wie aus dem Nichts
vor uns auftauchen! Aber leider sieht man im Revier von Hurgada kein einziges
Segel mehr - die Fischer fahren alle mit Motorschiffen und individuelles
Segeln ist angeblich zum Schutz der Korallenriffe verboten. Allerdings
wäre hier von den Windverhältnissen und dem Seegang her ein ideales Segelrevier
- sowohl für Yachties als auch für Jollen (egal ob Schwert, Kielboot oder
Kat)!
Meiner Meinung nach wäre insbesondere Jollensegeln für die Korallenriffe
weitaus schonender als die Belastung durch täglich zig Boote mit mehreren
Tauchern - und es würde sicher eine gute Tourismuseinnahmequelle sein
(rund ums Jahr warm und genügend Wind!).
Während meines Aufenthaltes herrschte ständig eine stetige auflandige
Thermik (tagsüber) mit gute 2 bis 4 Bft., manchmal auch ein schwacher
Fünfer, Seegang 1 bis schwachen 3 - also Superverhältnisse zum Segeln
- man wird sehen!
Hurgada, 4.2.2005
Mein Schnupfen hat sich gewaltig zum Stockschnupfen ausgewachsen - Propolis
in beide Nasenlöcher ist zwar teuflisch, ermöglicht aber eine einigermaßen
vernünftige Nasenatmung! Heute ist unser letzter Abend in Ägypten, morgen
mittags geht's zum Flugplatz und zurück in die Eis- und Schneewüste Mitteleuropas
(obwohl uns mitgeteilt wurde, dass es im Süden Österreichs nicht so schlimm
sei). Hoffen wir, dass es morgen abends auf der Pack nicht schneit! Heute
mittags hatte ich eine Auseinandersetzung mit einem "Möchtegernchef":
Der gute Mann war der Meinung, ich hätte meine "Blindenschleife" auf jeden
Fall am Handgelenk zu tragen - es waren ein paar kräftige Schnalzer mit
dem verbalen Kurbatsch erforderlich! Es war die klassische Situation,
wo der Gegenüber nicht verstehen und seine (bescheidene) Macht ausüben
wollte. Na gut, da hilft nur der Rat aus der Thora: Lärm machen und hoffen,
dass dann doch jemand zuhört - und tatsächlich - plötzlich verstand mich
jemand und beseitigte das Problem! Auch ohne "Schleife" am Handgelenk
durfte ich mir mein Bier und Mittagessen holen. Wieder eine "orientalische"
Erfahrung!
Auch das Wetter stellt sich um: Heute morgens wehte ein böiger Nordwind
mit 4 - 5 Bft., der Himmel ist wieder blitzblau. Lassen wir uns überraschen,
was morgen dabei herauskommt! Nach fast 14 Tagen reine Thermik der erste
"richtige" Wind!
Als
PDF-Datei downloaden
|