Vom Wesen des ChinesenHeute ist Mittwoch, der 25.1.2006 – ich befinde mich mitten auf einer Chinarundreise und musste heute leider das Bett hüten (in der Nacht Schüttelfrost, kein Fieber – in der Früh müde, abgeschlagen, energielos). Habe dann bis gegen 15.30 geschlafen und dann anschließend unsere (Sigrid ist natürlich mit) Reiseunterlagen für die Fortsetzung unseres Trips nach Hongkong (Abflug um 17.05 von Shanghai/Pudong) durchgesehen und vorbereitet. Der Kopf brummt zwar noch etwas und der Kreislauf ist nicht optimal, aber ich bin zuversichtlich, dass ich morgen wieder „auf dem Damm“ bin. Schon lange wollte ich im Rahmen dieser „Expedition“ (von den Schwierigkeiten mit Flügen und Wetter gesehen ist der Ausdruck sicher nicht übertrieben) etwas über das Wesen des Chinesen schreiben – heute habe ich Zeit und das gestrige Abendessen mit Jason und seiner Frau nebst ausführlichem Gespräch über Gott und die Welt hat mir einen zusätzlichen Kick verpasst. Die Wesenszüge dieses größten Volks der Erde (reinblütige Chinesen im weiteren Sinn [Han] wird es auf dem ganzen Erdball ca. 1,5 Milliarden geben – 85 bis 90% davon leben in der VR China) sind uns Österreichern in vielen Aspekten verwandt. Nicht umsonst hatte die NS-Propaganda vor dem Anschluss die Österreicher als „Chineser Mitteleuropas“ bezeichnet. Welche Gemeinsamkeiten habe ich – infolge einer oberflächlichen Betrachtung im Rahmen von 3 Wochen in China – inzwischen entdeckt? Genauso wie der Österreicher ist der Chinese ein eingefleischter Individualist, ja Egoist. Obwohl in den Ballungszentren Millionen von Menschen auf engstem Raum zusammenleben müssen habe ich den Eindruck, dass sich jeder seinen persönlichen Freiraum – nötigenfalls unter kräftigem Einsatz der Ellbögen – freihält. Auf Grund der staatlich verordneten Familienplanung (maximal 1 bis 2 Kinder pro Familie), einem Leitgedanken, der dem Österreicher durch die wirtschaftliche Situation und die austromarxistische Ideologie nahegelegt wurde, haben wir ähnliche Schwierigkeiten bei der Erziehung und Bildung unseres Nachwuchses: Das Einzelkind als Haustyrann Bildungsverweigerung, die bis zum funktionellen Analphabetismus trotz Pflichtschule geht. Und nicht zuletzt als volkswirtschaftliches Faktum daher eine zunehmende Arbeitslosenrate bei den jungen Menschen (wegen Unterqualifikation oder Arbeitsunwilligkeit). Das Überwuchern von Randgruppen (die ganz einfach die Tendenz haben, sich karnickelartig zu vermehren und sich diesbezüglich an keine wie immer geartete Regulative halten). Auf der anderen Seite finden wir Erfolgs- und Leistungsdruck, Karrieredenken und auch Konsumterror. Prinzipiell ist der Chinese aber hilfsbereit, sozial engagiert und liebenswürdig. Andrerseits verteidigt er seinen „Freiraum“ mit allen verfügbaren Mitteln. Ich kann jetzt verstehen, warum Karl May nach seiner letzten Asienreise die Handlung des – durch wechselseitigen Kontakt mit Berta v. Suttner inspirierten – Spätwerkes „Et in terra pax“ (Und Friede aus Erden) ins „Reich der Mitte“ versetzte. Die Meinungsfreiheit im kleinen ist nicht schlechter wie bei uns konzipiert – auf jeden Fall ist sie viel weitreichender als in den USA der Antiterrorgesetzgebung von Mr. Bush & Co. Völlig falsch ist die Ansicht, dass die VR China ein Polizeistaat mit Spitzeldienst (wie DDR etc.), begleitet von individuellem Terror ist. Ähnlich wie bei uns haben es natürlich auch dort Gegner des volkswirtschaftlichen Systems und der geltenden Ideologie schwerer als solche, die sich um diese Fragen nicht oder wenig kümmern und im Strom mitschwimmen. An Hand der Entwicklung der Grünbewegung mussten wir ja auch letztendlich zur Kenntnis nehmen, dass deren Exponenten zwar mit der Woge eines Ökosozialismus an mächtige Positionen befördert wurden, sich aber dort genauso pragmatisch wie ihre Kollegen anderen Couleurs verhalten. Sigrid hat mich gerade angerufen, ob ich Lust hätte, zwecks Abendessen in ein Restaurant nachzukommen – aber mir ist heute nicht danach und ich habe mich zum Teefasten entschlossen. Vom Hotelfenster aus dem 7. Stock habe ich gerade einen Blick auf eine der Durchzugsstraßen mit mehr oder minder intensivem Nachmittagsverkehr geworfen. Obwohl in China schon seit längerem diese Hauptstraßen großzügig und vor allem breit angelegt wurden wird der zunehmende Individualverkehr zum Problem. Die Neuzulassungen wurden zwar gedeckelt – aber was macht der Chinese? Er kauft sich trotzdem ein Auto und fährt ohne Nummerntafel! In Nordchina ist die Geduld der Verkehrsteilnehmer oft bewundernswert – Staus, die bei uns zum totalen Verkehrsinfarkt führen würden lösen sich relativ rasch unter Missachtung sämtlicher Verkehrsvorschriften wie von selbst auf. Je weiter man aber nach Süden kommt, desto temperamentvoller werden die Menschen und hier in Shanghai dürfte die Hupe bereits das wichtigste Teil der Fahrzeuge sein. In diesem Zusammenhang: Eine kurze Beschreibung unserer Reise samt Imponderabilien! Wir fuhren am 7.1. nach Enns bzw. Linz und regelten noch einiges bzw. brachten wir Susi bei Freunden unter. Am 8.1. ging’s über Grafenwörth (Autoabstellplatz + Familientaxi) nach Wien/Schwechat und von dort mit der AUA direkt nach Bei-jing (Peking). Unsere Gastgeber reisten mit dem gleichen Flug von ihrem Heimaturlaub wieder an die Arbeitsfront. So kamen wir in den Genuss der Annehmlichkeit, mittels Dienstwagen vom Flugplatz abgeholt und samt Gepäck ohne Umweg ins Quartier gebracht zu werden. Wie immer brauchte ich 2 Tage, um mich an die Zeitumstellung einigermaßen zu gewöhnen. Peking begann mit strahlendem Schönwetter, aber es trübte sich bald ein – zuerst Nieselregen, dann Schnee (als Vorbote einer Schlechtwetterfront, die uns ein paar Tage später voll treffen sollte). Trotzdem – die Verbotene Stadt frisch verschneit hat auch ihren Reiz! Das folgende Wochenende verbrachten wir dann gemeinsam mit unseren Gastgebern beim Eis- und Schneefestival in Harbin: Um die – 25°C begleitet von Eis und Schnee ist dort an der Tagesordnung und bereiten keine Schwierigkeiten. Tausende von Passanten trippeln über die vereisten Gehsteige, aber unermüdliche Hundertschaften mit primitivem Schneeräumgerät – wie Schaber, Schaufeln und Reisigbesen sind Tag und Nacht – wie schon in Peking – dabei, dem Winter die Stirn zu bieten – und das mit Erfolg! Die Eisskulpturen diverser Teams und Künstler sind nicht umsonst weltberühmt – sie sind insbesondere bei Nacht (mit bunten Lichtern illuminiert) einfach sensationell. Sigrid und ich harrten trotz eisiger Kälte aus und bewunderten diese Stadt aus blankem Eis und Schnee. Heuer war Russland das Thema und wir bummelten über den „Roten Platz“ und durch dem Kreml. Voller Vorfreude stiegen wir am Sonntag in den – angeblich wegen der Nähe zum Chinesischen Neujahrs- und Frühlingsfest (29.1.2006) – ziemlich verspäteten Flieger nach Tscheng-Tschou und kamen dort auch bei adäquaten Witterungsverhältnissen an (die Stadt liegt auf der geographischen Breite von Rom). Aber es war ähnlich wie in Peking: Schon während unseres Ausflugs ins Shaolin-Kloster in der Nähe von Deng-feng setzte Nieselregen ein und am Folgetag begann es zu schneien. Es blieben zwar nur 10cm patziger Schnee liegen – aber damit waren die lokalen Einrichtungen restlos überfordert. In den Folgetagen konnten wir in der lokalen Presse lesen, dass in Peking 160.000 und in Tscheng-Tschou (das angeblich 24 Stunden völlig abgeschnitten war) ca. 60.000 Menschen stundenlang auf den Bahnhöfen ausharren mussten, bis das die Strecken so weit von Schnee gesäubert waren, sodass die Züge wieder verkehren konnten und das kurz vor dem Neujahrsfest, der stressigsten Hauptreisezeit! Nun – wir hatten Glück im Unglück: Unser Taxi schaffte es noch bis zum Flugplatz – kurz bevor die Flughafenautobahn gesperrt wurde. Unser Flug hatte fast 12 Stunden Verspätung, aber wir konnten uns auf Rat eines freundlichen Amis, der schon seit Jahren in Peking wohnt um teures Geld ein Hinterzimmer im Flughafenrestaurant mieten, wo wir die Wartezeit einigermaßen bequem und ungestört verbringen konnten. In den frühen Morgenstunden trafen wir dann im Sheraton in X’ian ein – die Zivilisation hatte uns wieder. Nach ausgiebigem Frühstück ging es aufs Zimmer und schlafen – schlafen ... Nachmittags marschierten wir vom Sheraton in die Altstadt, besuchten die Moschee und Sigrid erwarb ein chinesisches Eulensiegel. Der mohamedanische Stadtteil erinnert an Anatolien – besonders der ausgedehnte Basar. Tags darauf inspizierten wir die Terrakotta Armee des ersten Qin-Kaisers – beeindruckend! Der Winter hatte die ganze Region fest im Griff – Gott sei Dank hörte der Schneefall endlich auf. Die Rückfahrt bescherte uns einen gewaltigen Stau im Bereich des Bahnhofes und angrenzenden Marktes. Bewundernswert zeigten die Chinesen, wie sie auch mit Verkehrsproblemen dieser Art fertig werden. Unser nächster Tag in dieser alten Stadt mit viel Tradition war durch den Besuch der kleinen Wildganspagode (die Aussicht war leider durch den herrschenden Smog eher bescheiden) und des umgebenden Parks mit Tempel und vielen Plastiken geprägt. Von dort aus ging es durchs Südtor wieder in die Altstadt auf den chinesischen Künstlerbasar zum Stelenwald und auf die Stadtmauer (zu dieser Jahreszeit ein teures und eher bescheidenes Erlebnis). Ein großes Problem sind die lästigen Bettler in der Altstadt – durch die Bank keine Chinesen, sondern durchwegs Angehöriger eher scheinbar muselmanischer Minderheiten. Vom Nordosten kommend treiben sie sowohl um den Trommel- und Glockenturm, als auch im Süden der Ost-West-Hauptstrasse ihr Unwesen Am letzten Tag besuchten
wir auf dem Weg zum Flugplatz noch die Ausgrabungen von HaiLing(?) mit
der kleinen Terrakotta Armee und den zahlreichen Tierplastiken. Der Weiterflug nach Shanghai hatte erhebliche Verspätung – aber diesmal wurden wir auf Kosten der Eastern China in einem Flughafenhotel untergebracht und reichlich verköstigt. Den ersten Tag in Shanghai machte ich
noch mit zusammengebissenen Zähnen das Programm mit (ich hatte in der
nächsten Nacht Schüttelfrost und Fieber) – eine Rundfahrt auf dem Fluss
ließ eine leise Ahnung von dieser Metropole (ca. 17 Millionen Menschen
leben in der Region) und der Größe und Leistungsfähigkeit der Hafenanlage
aufkommen – beeindruckende Skyline – endlich kein Schnee mehr.
Am nächsten Tag streikte ich und überließ die Stadt Sigrid und Cicy (aus Gschriet!) zum Einkaufsbummel. Tags darauf schleppte ich mich mühsam zum Jade – Buddha (ein Muss für jeden Shanghaibesucher). Nachmittags ging es bereits wieder zum nächsten Flieger. Ausnahmsweise hob der Flieger nach HongKong pünktlich ab – trotz Neujahrsverkehr! HongKong – chinesische Großstadt mit britischem Klischee – eigene Währung, beschränkte Autonomie, Zollfreizone, Wirtschaftsmetropole südlich des Wendekreises. Der Wintereinbruch in Nord- und Mittelchina war auch hier nicht spurlos vorübergegangen. Der erste Tag war eher kühl und bewölkt – hin und wieder ein paar Sonnenstrahlen. Wir bummelten entlang der Skyline von Kowloon Süd und Viktoria Nord herum. Der nächste Tag – leider war Regenwetter – wurde im HongKong-Disney verbracht. Dieses ist klein und lieb und hat nur wenige Attraktionen (z.B. Bootsafari durch den Dschungel, Tarzan’s Baumhaus, Winnie The Pooh Märchenbahn, Buzz Lightyear und einen (deutlich entschärften) Space Mountain) – ein Tag reicht zum Kennenlernen. Den chinesischen Neujahrstag haben wir trotz strahlenden Sonnenschein fast zur Gänze verschlafen (ein Tag Disney intensiv hatte uns doch entsprechend gefordert). Abends fuhren wir hinüber zur Admirality und schauten uns die Neujahrsparade an – die Fotos waren miserabel. Tags darauf Ausflug nach Lin Po zum Riesenbuddha (34 m hoch), dann zum Silberfluss und von dort mit der Fähre nach Central. Anschließend Neujahrsfeuerwerk (eine halbe Stunde Pyrotechnik vom Feinsten). Leider ging unsere Kamera in Lin Po zu Bruch – daher konnten wir keine eigenen Bilder mehr machen. Heute am letzten Jännertag ist das Wetter heiter bis wolkig, wir werden ausgiebig frühstücken und anschließend Kamera kaufen gehen. |